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Agents speak data: are we ready to listen?

Agents sprechen Daten – sind wir bereit zuzuhören?

Agents sind die Schlagzeile. Daten die Geschichte.

Dreamforce ist traditionell ein Schaufenster für das, was als Nächstes kommt. Dieses Jahr stehen Agents im Rampenlicht. Sie versprechen, Entscheidungen zu automatisieren, Bedürfnisse vorherzusehen und im Namen von Menschen zu handeln. Die Demos sind beeindruckend. Doch bevor wir alle beginnen, „einen Agenten zu bauen“, stellt sich eine leise, aber entscheidende Frage: Unter welchen Bedingungen kann ein Agent überhaupt existieren?

Hier kreuzen sich meine beiden Welten: Als Sales Director sehe ich den Wunsch von Unternehmen nach Geschwindigkeit, Autonomie und messbaren Ergebnissen. Als Soziologe, der die Beziehung zwischen Mensch und Technologie erforscht, beschäftige ich mich mit den weniger sichtbaren Ebenen: wie Wissen strukturiert wird, wie Vertrauen entsteht – und wie Daten selbst zu einer Sprache werden.

Im Kern funktionieren Daten wie eine Sprache. Agents „denken“ nicht wie Menschen – sie verarbeiten, ordnen und handeln innerhalb der Grammatik strukturierter Informationen. Wenn das Vokabular lückenhaft ist, die Syntax gebrochen oder die Bedeutung in Silos zersplittert, wird der Agent mit großer Sicherheit Unsinn „sprechen“. Die Vorbereitung auf Agents beginnt daher nicht mit dem Code, den ihr auf der Dreamforce schreiben werdet, sondern mit der Sprache, die euer Unternehmen heute schon spricht: wie Daten definiert, verwaltet und geteilt werden.

Neben dieser technischen Ebene gibt es auch eine menschliche: Agents verändern Arbeitsabläufe, Entscheidungsrechte und Verantwortlichkeiten. Ohne bewusstes Change Management läuft die neue „Sprache“ Gefahr, ebenso viel auszuschließen, wie sie befähigt.

Im Folgenden möchte ich diese beiden Bedingungen näher beleuchten – Datenbereitschaft als sprachliche Klarheit und Change Management als kulturelle Übersetzung ,– und erläutern, warum sie wichtiger sind als die Begeisterung einer Live-Demo.

Daten als Sprache der Agents

Wenn Agents dazu geschaffen sind, „zu handeln“, tun sie dies, indem sie die Welt durch Daten lesen. Daten sind kein neutraler Input: Sie bilden das Vokabular und die Grammatik, die bestimmen, was der Agent wahrnehmen, entscheiden und ausführen kann. Mit anderen Worten: Die Qualität eines Agents hängt von der Qualität der Sprache ab, die er lernt.

Stellt euch eine Sprache vor, in der Wörter fehlen, die Syntax fehlerhaft ist oder die Bedeutungen widersprüchlich sind. Kommunikation wird fragil, Missverständnisse häufen sich, Nuancen gehen verloren. Genau das passiert, wenn Unternehmen versuchen, Agents auf fragmentierten Datensätzen, alten Silos oder schlecht definierten Governance-Strukturen einzusetzen. Der Agent mag flüssig wirken, doch unter der Oberfläche improvisiert er mit Lücken, Halbwahrheiten und Widersprüchen.

Brüchiges Vokabular: Wenn Daten Agents fehlleiten

  • Kundenidentität: Eine Person erscheint mehrfach unter unterschiedlichen Schreibweisen, E-Mail-Adressen oder IDs. Menschen erkennen die Dopplungen, Agents nicht. Das „Sprechen“ des Agents wird dadurch verzerrt, Erfahrungen fragmentiert und Empfehlungen fehlerhaft.
  • Produkt-Hierarchien: Dasselbe Produkt wird in Vertrieb, Marketing und Lieferkette unterschiedlich codiert. Ein Agent, der „Bestände optimieren“ soll, gerät in eine sprachliche Falle: Drei Namen für dasselbe Objekt verhindern den Gesamtüberblick.
  • Kulturelle Nuancen: In globalen Unternehmen kann ‚Kunde‘ in einem Markt Endverbraucher und in einem anderen Vertriebspartner bedeuten. Geht diese Differenz im Datenmodell verloren, handelt der Agent auf Basis falscher Annahmen – mit realen geschäftlichen Auswirkungen.

Diese Beispiele zeigen: Datenkategorien sind keine neutralen Fakten, sondern gesellschaftliche Entscheidungen. Wenn ihr definiert, wer als „Kunde“ zählt oder welche Interaktionen erfasst werden, gestaltet ihr aktiv die Welt, in der Agents agieren. Wie Pierre Bourdieu erinnert: Benennen heißt existieren lassen. Indem wir Daten strukturieren, formen wir die Realität, in der unsere KI-Agenten künftig operieren werden.

Wer entscheidet über die Grammatik?

Die soziologische Frage lautet: Wer legt die Grammatik dieser Sprache fest? Meist sind es technische Teams, die Schemata und Taxonomien formalisieren. Doch das Erfahrungswissen der Mitarbeitenden – wie sie Kunden beschreiben, Statusmeldungen deuten oder Probleme lösen – fließt selten in den Datensatz ein. Das Ergebnis: ein begrenztes Vokabular. Agents „sprechen“, doch ihnen fehlt die Tiefe der menschlichen Sprache, die sie eigentlich unterstützen sollen.

Von der Datensammlung zur Kohärenz

Die Frage ist nicht: „Habt ihr genug Daten?“
Sondern:

  • Verfügt ihr über eine kohärente “Sprache”, die Agents verstehen und anwenden können?
  • Spiegelt die Definition eurer Daten wider, wie euer Unternehmen tatsächlich arbeitet und die Welt interpretiert?
  • Und vielleicht am wichtigsten: Gibt es einen gemeinsamen Prozess, um diese Sprache zwischen Fach- und Technikteams abzustimmen und kontinuierlich weiterzuentwickeln?

Agents sind nur so leistungsfähig wie die Sprachkompetenz, die sie erben. Vorbereitung bedeutet weniger, die neuesten Funktionen zu implementieren, als vielmehr ein gemeinsames, verständliches und verlässliches Vokabular im Unternehmen zu etablieren.

Change Management als kulturelle Übersetzung

Wenn Daten die Sprache der Agents sind, dann ist Change Management die Übersetzung zwischen dieser Sprache und den Menschen, die mit ihr arbeiten sollen. Viele Organisationen unterschätzen diesen Schritt: Sie gehen davon aus, dass eine leistungsstarke Technologie automatisch angenommen wird. In der Praxis gilt oft das Gegenteil. Ohne Übersetzung bleibt die neue Sprache fremd, verunsichernd und ausgrenzend.

Wenn Technologie Rollen verändert

Agents assistieren nicht nur – sie entscheiden und handeln. Das verändert das Gefüge der Arbeit:

  • Entscheidungsrechte verschieben sich: Wer hat die Autorität, wenn der Agent autonom agiert?
  • Verantwortung wird unklar: Wenn ein KI-Agent einen Fehler macht, wer trägt die Konsequenzen?
  • Rollen werden neu definiert: Manche Aufgaben entfallen, andere erfordern neue Interpretationskompetenzen.

Dies sind keine bloßen „operativen Anpassungen“, sondern tiefgreifende Veränderungen in der Art und Weise, wie Macht und Verantwortung innerhalb eines Unternehmens verteilt und umgesetzt werden. Werden diese Veränderungen nicht explizit gemacht, können sie neutral oder automatisch wirken – obwohl sie tatsächliche Auswirkungen auf die Dynamik am Arbeitsplatz haben.

Die emotionale Dimension

KI-Agenten verändern nicht nur Aufgaben, sondern auch das Selbstverständnis von Teams. Für manche bringen sie Erleichterung: monotone oder repetitive Tätigkeiten entfallen, und es entsteht Zeit für kreativere Beiträge. Für andere lösen sie Unsicherheit und Ängste aus: Fähigkeiten wirken entwertet, Fachwissen erscheint weniger relevant, die Zukunft ungewiss. Diese Reaktionen kommen selten in Folien oder Präsentationen zum Ausdruck, beeinflussen die Akzeptanz jedoch stärker als jede technische Schulung.

Es ist daher genauso wichtig, diese emotionale Dimension anzuerkennen wie technische Trainings anzubieten – sie prägt die Akzeptanz stärker als jede Funktionalität allein.

Übersetzung in der Praxis

Ein effektives Change Management betrachtet die Einführung von Agents als kulturellen Wandel, der erzählt, erklärt und gemeinsam verarbeitet werden muss. Das bedeutet:

  • Die Geschichte einrahmen: Warum führt ihr KI-Agenten ein? Welche Probleme lösen sie für Menschen – nicht nur für KPIs?
  • Die neue Grammatik lehren: Schulungen erklären nicht nur Funktionen, sondern vermitteln, wie Outputs interpretiert und hinterfragt werden und wann eingegriffen werden muss.
  • Dialog schaffen: Foren ermöglichen es, Widerstand, Bedenken und Ideen zu äußern, damit die „neue Sprache“ bereichert statt auferlegt wird.

Von Adoption zu Aneignung

Das Ziel ist keine blinde Akzeptanz, sondern echte Aneignung: Teams sollen erleben, dass Agents ihren Handlungsspielraum erweitern, nicht ersetzen. Organisationen agieren dabei weniger als Übersetzer einer fertigen Sprache, sondern als Mitautoren eines Dialekts – sie passen an, verhandeln neu und verfeinern kontinuierlich.

Von Dreamforce-Inspiration zu verantwortungsvollem Handeln

Dreamforce lebt von Inspiration. Die Demos zeigen, was möglich ist: Mit wenigen Klicks erscheint ein KI-Agent, und plötzlich wirken komplexe Prozesse einfach und umsetzbar. Diese Energie ist wertvoll, denn sie hilft uns, uns eine Zukunft vorzustellen, die sonst vielleicht weit entfernt erscheint.

Die Inspiration versus das Skript

Inspiration ist jedoch nur der Anfang. Der wahre Wert entsteht danach, wenn wir in unsere eigenen Unternehmen zurückkehren. Nachhaltige KI-Agenten zu schaffen erfordert eine weniger sichtbare, aber entscheidende Vorbereitung: Daten so abzustimmen, dass sie eine einheitliche Sprache sprechen; Teams dabei zu unterstützen, sich an neue Rollen anzupassen; und einen Raum für den Dialog darüber zu schaffen, wie diese Technologie die tägliche Arbeit verändert.

In der Praxis bedeutet das, einige zentrale Fragen zu stellen:

  • Sind unsere Daten bereit, KI-Agenten ein klares und konsistentes Bild der Realität zu liefern?
  • Verfügen unsere Teams über den notwendigen Kontext, um die Ergebnisse zu verstehen und ihnen zu vertrauen?
  • Betrachten wir KI-Agenten als Erweiterung menschlicher Urteilsfähigkeit und nicht als Ersatz?

Aus dieser Perspektive kann Dreamforce sowohl ein spannendes Schaufenster als auch ein wertvoller Meilenstein sein. Es lädt ein, Inspiration mit Vorbereitung zu verbinden und KI-Agenten nicht nur als technische Projekte, sondern auch als organisatorische Prozesse zu sehen.

Der Weg von der Demonstration in den Alltag besteht nicht darin, Begeisterung zu bremsen, sondern sie in verantwortungsbewusstes Handeln zu kanalisieren. Mit soliden Daten und fundiertem Change Management können die Agents, die uns in San Francisco inspirieren, auch bei euch einen echten und nachhaltigen Mehrwert schaffen.

Eine gemeinsame Sprache sprechen: Daten, Menschen und Purpose

Agents stehen im Mittelpunkt der Dreamforce 2025, doch ihr Erfolg hängt von weit weniger sichtbaren Grundlagen ab. Daten müssen wie eine Sprache behandelt werden – präzise, konsistent und gemeinsam genutzt –, damit Agents klar und verständlich kommunizieren können. Change Management fungiert dabei wie eine kulturelle Übersetzung: Es sorgt dafür, dass diese neue Sprache nicht nur verstanden, sondern auch von den Menschen angenommen wird, die sie täglich anwenden werden. Inspiration allein genügt nicht – sie muss in geduldige und fundierte Integrationsarbeit münden.

In meiner täglichen Arbeit als Sales Director sehe ich, wie dringend der Bedarf an Geschwindigkeit und Automatisierung geworden ist. Gleichzeitig erinnere ich mich als Soziologe daran, dass Technologien nicht isoliert entstehen. Sie verändern, wie wir Wissen organisieren, wie wir Verantwortung verteilen und wie wir einander vertrauen.

Die wahre Chance liegt daher nicht nur darin, Agents zu entwickeln, sondern die Bedingungen zu schaffen, unter denen sie effektiv und nachhaltig arbeiten können – Bedingungen, in denen Daten eine klare Sprache sprechen, Teams in die Übersetzung einbezogen werden und Inspiration nachhaltige Verantwortung fördert.

Dreamforce bietet eine großartige Bühne, um sich die Zukunft vorzustellen. Die bedeutendsten Veränderungen werden jedoch danach stattfinden, durch die eher unauffällige Arbeit des Abstimmens, Übersetzens und Vorbereitens. Dann werden Agents nicht rein eine Neuheit mehr sein, sondern zu dauerhaften Begleitern unserer Arbeitsweise und Entscheidungsfindung. Die entscheidende Frage lautet: Sind wir bereit, der Sprache zuzuhören, die sie sprechen?

Andrea Gacanin

Authorin: Andrea Gacanin, Sales Director und Forscherin

Andrea ist Sales Director bei OSF Digital und bringt über 17 Jahre internationale Erfahrung in den Bereichen Geopolitik, Bildung, IT und Konsumgüter mit. Sie ist auf komplexe Vertriebsprojekte im Cloud-Umfeld spezialisiert und unterstützt ihre Kunden dabei, die digitale Transformation mit Klarheit und Zuversicht erfolgreich zu gestalten. Über ihre Tätigkeit bei OSF hinaus forscht Andrea an der Université Paris 8 im Rahmen ihrer Doktorarbeit zu den Schnittstellen von Technologie, Gesellschaft und Überwachungskapitalismus. Darüber hinaus ist sie begeisterte Ultramarathonläuferin.